Robert Waldmüller-Doboc   Frauenzüge

 

Wer klaren Blicks die Schicksalshieroglyphen

Auf gar so manchem Frauenantlitz liest,

Der sieht nicht ohne Grauen in die Tiefen

Des Dunkels, das sich keinem Blick erschließt.

 

Hier Keime, die nach Luft und Pflege riefen,

Versumpft, dem wasser ähnlich, das nicht fließt;

Dort böse Triebe, die verborgnen schiefen,

Geweckt und wuchernd, gleich wie Unkraut sprießt.

 

Ihr sprecht: Sie sind verblüht! – O daß sies wären!

Daß welk die Wange nur! wie würde doch

Des Innern reifre Fülle sie verklären.

 

Doch was da mangelt, ist ein andres noch!

Sie müssen Geisteslicht und Luft entbehren,

Und statt der Schwingen ward ihr Teil – das Joch.

 

 

 

 

 

Robert Waldmüller-Doboc   Orangen

 

Wie hold die goldne Frucht am Baume winkt!

Aus üppig-grünem Laube, das, vom Regen

Der Nacht noch feucht, im Sonnenlichte blinkt,

Drängt reicher Überfluß sich mir entgegen.

 

Die Hand nur streck ich aus, und goldgeschminkt,

Entrollst dem niedren zweig du, duftger Segen,

Und während süße Kost der Gaumen trinkt,

Verlockt schon neue Fülle allerwegen.

 

Doch seh ich mehr als jenen Nektar nur

In dir, an dem wir unsre Sinne laben,

Wenn von dem Sonnenkusse welk die Flur.

 

Daß wir noch immer Paradiese haben,

Das lehrst du mich, in denen die Natur

Verschwendrisch spendet ihre schönsten Gaben!

 

 

 

Robert Waldmüller-Doboc   Regenstimme

 

Nun träuft des Himmels reiche Spende nieder,

Und überwunden sieht sich die Natur;

Zu Worte kommt des Regens Stimme nur;

Kaum daß noch eine Schwalbe hin und wieder

 

Die Halme streift mit tropfendem Gefieder,

Und einen Laut borgt der verstummten Flur;

Kaum daß noch, zirpend in der Ackerspur,

Die Lerche mahnt an längst verlernte Lieder.

 

Es ist ein Wetter, recht dazu gemacht,

Um jene Härte sanft herabzustimmen,

Die uns der Sonnenschein ins Herz gelacht.

 

Wie Wehmut klingt es an;  - Der Landschaft Bild

Beginnt vor unsern Blicken zu verschwimmen,

Und langentbehrter Tränensegen quillt.

 

 

 

 

Robert Waldmüller-Duboc   Neapel und Rom

1822 - 1910

Neapel ist die laute Heiterkeit,

Rom ist der Ernst herabgekommner Größen;

Die Eine geht im bunten Federkleid,

Die Andre deckt nur mühsam ihre Blößen.

 

Die eine lebt, - die Andre lebt auf Zeit,

Und zehrt von der Geschichte Aktenstößen;

Neapels Bettler neckt dich, lacht und schreit,

Der Bettler Roms sucht Mitleid einzuflößen.

 

So sind hier Gegensätze schroffer Art.

Rom gleicht dem trauernd ernsten, edlen Weibe,

Noch feßelnd, geistvoll, aber hochbejahrt.

 

Neapel gleicht der Sclavin, schön von Leibe,

In der sich Glut und holder Liebreiz paart,

Und die ein Pascha hält zum Zeitvertreibe.

 

 

 

 

 

Robert Waldmüller-Duboc   Bereift

1822 - 1910

In Silberschmucke ist der Baum erwacht,

Der Himmel blaut, die Nebel sind verschwommen;

Nun steht er da, beschämt ob all der Pracht,

Bewegungslos, entzückt und doch beklommen.

 

wer schmückte ihn so hold in einer Nacht,

Wer hat das dürft’ge Ansehn ihm genommen?

Die liebe Sonne blinkt ihn an und lacht,

Und hütet sich, dem Schmuck zu nah’ zu kommen.

 

Vorüber zieht der Mensch und staunt und spricht:

„Wie rein dies Silberbild auf blauem Grunde,

Kein Pinsel gibt es wieder, kein Gedicht! –

 

Eins gleicht ihm nur: in früher Morgenstunde

Der Unschuld heilig reines Angesicht,

Das von dem eignen Reiz noch ohne Kunde.“